EFGANİ DÖNMEZ Projektmanagement – Abgeordneter zum Nationalrat a.D.

Militärputsch in der Türkei und die Auswirkungen auf Österreich

Es ist nicht der erste Militärputsch in der Türkei. Seit den 1960’er Jahren gab es in fast zehn Jahresabständen einen Militärputsch. Der gegenwärtige Militärputsch unterscheidet sich dadurch, dass die Militärputsche der Vergangenheit von den obersten Rängen des Militärs geplant und durchgeführt wurden und dieser aktuelle Putsch von der mittleren und unteren Ebene  kleinerer Militäreinheiten, welche zum Restbestand der Säkularen zählen. Das Militär galt bis 2007 als die Hochburg der säkularen Eliten, welche über die strikte Trennung von Staat und Religion über das Erbe von Mustafa Kemal Atatürk wachten. Mit der Vorschlaghammer-Aktion (Balyoz) im Jahre 2007 wurden säkular eingestellte hochrangige Militärs verhaftet und zu langen Haftstrafen verurteilt. Die säkularen Eliten im Militär mussten  AKP-hörigen Gefolgsleuten weichen. Somit war die letzte Bastion im Kampf gegen die Islamisten verloren.

In den Netzwerken kursieren aus AKP nahen Kreisen Informationen, welche die mächtige Feytulah Gülen-Bewegung als Urheber des Putsches verantwortlich machen. Über die Medienkanäle der Gülenbewegung wird dieser Vorwurf zurückgewiesen und der Putsch aufs Schärfste verurteilt. Was zurückbleibt sind über 1500 Verhaftungen bei Militärangehörigen und oppositionellen Abgeordneten, über 80 Tote, über 1000 Verletzte, Teile einer zerstörten Infrastruktur und eine tief gespaltene türkische Gesellschaft sowie ein massiv erstarkter Präsidenten Erdogan.

Dessen Flugzeug kreiste über Istanbul, bis die Lage auf dem Boden unter Kontrolle war und die Präsidentenmaschine landen konnte. Ein weiteres Indiz dafür, dass der Putsch von Dilettanten organisiert worden ist, da mehrmals im Netz die Flugkoordinaten der Präsidentenmaschine publiziert wurden und Teile des putschenden Militärs seinen leerstehenden Präsidentenpalast angegriffen hatten.

Von der  Religonsbehörde Diyanet wurden die Vorbeter angehalten über die Lautsprecher der Moscheen die Bevölkerung aufzurufen, auf die Straße zu gehen. Daraufhin strömten trotz einer landesweit ausgehängten Ausgangssperre tausende Menschen auf die öffentlichen Plätze und stellten sich vor die Panzer. Manche walzten sich über die Menschen hinweg den Weg frei und hinterließen eine Spur der Verwüstung und des Todes. Andere Besatzungen von Panzern ließen sich überwältigen und wurden vom aufgebrachten Mob angegriffen und der Polizei übergeben. Mindestens zwei Soldaten wurden gelyncht, 16 Soldaten von der Polizei bei der Erstürmung der eingenommenen Medienanstalten getötet.

Vor diesem Hintergrund forderte der AKP Oberbürgermeister von Ankara Melih Gökcek die Wiedereinführung der Todesstrafe. Quo vadis, Türkei?

Das Chaos und das Vakuum wurde von Islamisten genutzt. Diese lieferten sich, neben den Gefechten zwischen Putschisten des Militärs und der Polizei, Gefechte mit linken säkularen Gruppierungen. Die Entwicklungen in der Türkei werden auch massive Auswirkungen auf Europa haben.

Einen kleinen Vorgeschmack haben spontan organisierte Demonstrationen und Solidaritätskundgebungen von AKP-Ablegern von Berlin über Wien, Salzburg, Vorarlberg und Linz vor Augen geführt. Die Situation ist extrem angespannt. Unsere Exekutive ist extrem bemüht, aber schlichtweg überfordert, die Situation unter Kontrolle zu halten.

Wir müssen den in Europa und in Österreich lebenden aus der Türkei stammenden Mitbürgern unmissverständlich klarmachen, dass die Lösung der Probleme nur in der Türkei von den gewählten Volksvertretern und der Zivilgesellschaft durchgeführt werden kann. Jeglicher Import der Konflikte führt zu einer weiteren Entfremdung zwischen Einheimischen und der aus der Türkei stammenden Bevölkerung. Ein Austragen des Konfliktes wäre nur Wasser auf die Mühlen von Populisten und Menschen, die generell dem Islam gegenüber keine allzu große positive Einstellung haben.

Unsere Politiker müssen nun endgültig erkennen, dass sich unter dem Deckmantel von Toleranz und Interreligiösem Dialog Gruppierungen breitgemacht haben, welche unser Vereinsrecht missbrauchen. Viele dieser Ableger sind keine Vereine, sondern politische Gruppierungen, welche eine Agenda verfolgen.

Als funktionierender Rechtsstaat müssten wir ein größtmögliches Interesse daran haben, dass die Freiheiten, welche wir haben und von uns hart erkämpft worden sind, nicht missbraucht werden. Eine verstärkte Beobachtung durch den Verfassungsschutz und die Erwähnung im jährlich erscheinenden Sicherheitsbericht wäre mal ein wichtiger Anfang, einen Überblick über die Aktivitäten dieser Politableger zu bekommen. Damit hätte die Politik eine Entscheidungsgrundlage für weitere Aktivitäten zur Hand.

Die Zeit ist überreif, endlich die Spreu vom Weizen zu trennen, wenn wir unseren gesellschaftlichen Frieden nicht aufs Spiel setzen möchten.

Von Efgani Dönmez
EFGANİ DÖNMEZ Projektmanagement – Abgeordneter zum Nationalrat a.D.

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