EFGANİ DÖNMEZ Projektmanagement – Abgeordneter zum Nationalrat a.D.

Die Fluchtbewegungen haben eine wechselseitige Auswirkung auf die Herkunfts-, und Zielländer – Anlass zur Besorgnis liegt auf der Hand

Die Fluchtbewegungen haben eine wechselseitige Auswirkung auf die Herkunfts-, und Zielländer, dieses Faktum ist nicht von der Hand zu weisen. Die Fluchtursachen sind nicht nur die kriegerischen Auseinandersetzungen sondern auch die Art&Weise, wie wir Wirtschafts-, Landwirtschafts-, Energie-, Verkehrs-, und Entwicklungshilfepolitik betreiben. Die daraus resultierende immer größer werdende Kluft zwischen Wohlstand und Armut trägt, neben der allzu billigen Kriegsführung, ihres dazu bei, dass immer mehr Menschen flüchten. Die Perspektivenlosigkeit einer großen Anzahl einer jungen Generation – insbesondere in muslimisch geprägten Ländern, Entzug der Lebensgrundlage durch Klimawandel, Bodenerosion, einem Verteilungskampf um knapper werdende Ressourcen, neue territoriale Grenzziehungen, die Instrumentalisierung der Religion durch einen Klerus, welcher mit den politischen Machthabern eine Symbiose eingegangen ist und den Nährboden für Fundamentalismus, Radikalismus und Antisemitismus aufbereitet, produzieren Fluchtbewegungen und beschleunigen Zerfallsprozesse.

Welche Auswirkungen die Fluchtbewegungen auf die Zielländer haben, deren Reichweite sind sich die handelnden Akteure in der Politik kaum bewusst. Alleine die Realität anzusprechen ist für viele schon eine Zumutung. Dort, wo der Staat seiner Verantwortung, aus welchen Gründen auch immer, nicht gerecht wird, entsteht eine Lücke. Diese Lücke wird meist von politischen Extremen oder religiösen Gruppierungen geschlossen. Beides höhlt den Staat auf subtile Weise aus. Ein starker Staat ist das Gebot der Stunde, um die Herausforderungen bewältigen zu können, nicht im Sinne von Überwachung und Einschnitte in die Bürgerrechte unter dem Argument der Terrorabwehr und Sicherheit. Die Lösung der gegenwärtigen Probleme liegt in der Implementierung von Entwicklung, Sicherheit und Kooperation der Staaten und deren Institutionen und nicht auf Wettbewerb, wer denn die wenigste Verantwortung übernimmt. Die Verantwortung an die Landesgrenzen des angrenzenden Staates weiterzureichen, wie im Falle mancher Nachbarstaaten von Österreich oder Österreich selbst, zeugen von einer globalen, europäischen und nationalen Kurzsichtigkeit. Wir können versuchen, Mauern aufzurichten, um unseren Reichtum zu verteidigen. Aber diese Mauern werden dem Andrang von Abermillionen auf Dauer nicht standhalten.

Anlass zur Besorgnis ist nicht nur die fehlende Bereitschaft mehrerer EU-Staaten, einen angemessenen Anteil der in den Mittelmeerländern ankommenden Flüchtlinge aufzunehmen sondern auch die Kurzsichtigkeit mit der politischen Akteure agieren. Die Schließung von Grenzen löst kein Problem, ebenso die unkontrollierte Öffnung dieser. Die Probleme gehören bei der Wurzel angepackt und Klarheit geschaffen für die Flüchtenden und für die eigene Bevölkerung. Grenzen dicht und eine alle raus Haltung, dieses Verhalten ist ein grober Verstoß gegen den Solidaritätsgedanken der europäischen Verträge. Wer sich so verhält, verdeutlicht nur eines, dass diese Union eine reine Wirtschaftsunion ist, keine Sozialunion und schon gar nicht eine Solidarunion. Jene die für eine unkontrollierte Öffnung der Grenzen plädieren, müssen erkennen, dass dies in der Bevölkerung Verunsicherung und Ängste auslöst. Angst ist nie ein guter Ratgeber und war immer schon ein begründeter oder unbegründeter Mobilisierungsfaktor für rechte Gruppierungen. Österreich müsste hier eine entschlossene Führungsrolle übernehmen Brücken zu bauen und interreligösen, vor allem einen intramuslimischen, Dialog in Gang zu setzen. Gleiches gilt für die unerlässliche Neuausrichtung der Militär-, Entwicklungs- und Einwanderungspolitik, aber vor allem der Bildungspolitik. Das ist kein Selbstläufer. Denn es betrifft höchst anspruchsvolle Politikfelder.

Ein überwiegender Teil der Flüchtlinge kommt aus muslimisch geprägten Ländern, wo gegenseitige Toleranz zwischen Muslimen, Christen und Juden, bis zur Übernahme des saudischen Einflusses und der schiitischen Mullahs im Iran, bis in die späten 70’er Jahre zum Alltag gehörten. Die lokalen Gläubigen fühlten sich durch gemeinsame kulturelle Wurzeln verbunden. Durch die Dekulturation und Missionierungsambitionen in den Golfstaaten, dessen Epizentrum für den sunnitschen Einfluss Saudi Arabien darstellt und für den schiitischen Einfluss der Iran, haben Intoleranz, Ausgrenzung von Minderheiten und eine geistige Dekultivierung, Einzug in die Köpfe der jungen Generation genommen.

Die instrumentalisierte Theologie der schiitischen und sunnitischen Fundamentalisten hat den Nährboden für den gegenwärtigen Tiefpunkt des Islams vorgeebnet. Die Entfremdung des gegenwärtigen Islams vom Islam, welcher auf den Koran beruht, basiert auf der Degenration der islamischen Theologie. Dort, wo Aberglaube, Häresie, Politisierung und Vergöttlichung Einzug halten, dort hält der Koran fest (Lokman Sure 36) „ Hüte dich vor jenen, die dich im Namen Allahs betrügen.“ Im Koran (Yunus Sure 100) wird weiters festgehalten, dass „über alle wird Leid und Schlechtes wiederfahren, welche sich nicht dem Verstand und der Vernunft bedienen.“ Der Zustand der islamischen Länder ist der beste Beweis dafür.

„Der Aberglaube hat seine ältesten Wurzeln im Judentum. Auch im Christentum wurzelt er tief. Die jüdisch-christliche Tradition ist in gewisser Hinsicht eine Tradition des Aberglaubens. Vom bösen Blick bis zum Amulett, von der Wahrsagerei zur Geisterbeschwörung, vom Zählen der Engelsschwingen bis zur Teufelsaustreibung, hat sie allen nur denkbaren Aberglauben hervorgebracht. Der muslimische Kulturkreis übernahm abergläubische Vorstellungen (in der türkischsprachigen islamischen Literatur werden diese unter dem Begriff (Israiliyât zusammengefasst) zunächst aus dem Judentum, später wurden christliche, sassanidische, indische, hellenistische Vorstellungen adaptiert, diese schließlich mit türkisch-schamanistischen Elementen angereichert und zu etwas vermengt, das einem Ozean des Aberglaubens gleicht. Frei erfundene Hadithe wirken verheerend und bilden das Rückgrat des Aberglaubens. Sie instrumentalisieren den Propheten. Ein großer Teil dessen, was unter dem Namen Hadith und im Namen des Islams als anerkannter Glaubenssatz inszeniert wird, speist mittel- oder unmittelbar den Aberglauben. Diese Glaubenssätze konstituieren einen konkurrierenden Glauben zur koranischen Religion und stürzen die Muslime vor den Augen der Weltöffentlichkeit in unfassbare Schwierigkeiten und Erklärungsnöte.“[1]

„Ahmad Mohammad al Tayyeb, Oberster Gelehrter von Kairos Universität Al Azhar, die sich gerne im Ruf der wichtigsten Lehranstalt des sunnitischen Islam sonnt, nennt den “Islamischen Staat” bei jeder Gelegenheit eine “zionistische Verschwörung”, die die arabische Welt auf die Knie zwingen soll. Eine breite innermuslimische Debatte zu den geistigen Wurzeln der Radikalen findet nicht statt. Und Millionen von Muslimen in Nahost tun mit Verweis auf die innere Pluralität ihrer Religion so, als wenn sie das alles gar nichts anginge.“[2]

Die Proponenten des politischen Islams, welche den Nährboden für Fundamentalismus und Extremismus aufbereiten, gehören in die Schranken gewiesen, nicht nur in den Herkunftsländern sondern auch in Europa und Österreich. Aber auch da hat Österreich einen bedenklichen Weg beschritten. Durch die Implementierung einer von Saudi Arabien finanzierten Einrichtung, welche unter dem Deckmantel von „interreligiösem Dialog“ in Wien agiert, werden mit österreichischen Steuergeldern, Leute aus dem Bereich der Moslembruderschaft, wie Ibrahim El Zayat unter dem Schutz einer internationalen Institution hofiert und arbeiten auch noch mit jüdischen Gruppierungen zusammen.[3] Jegliche Unterstützung für Vertreter des politischen Islams, ob gemäßigte Islamisten oder Hardliner werden die Konflikte befeuern. Daher ist es politisch wichtig, aufgeklärten säkularen Muslimen den Rücken zu stärken. Durch die Freiheit der Wissenschaft und Lehre, welche in Europa und in Österreich vorhanden ist, können Themen und Fragen aufgeworfen werden, welche in den meisten islamischen Herkunftsländern unmöglich sind. Dadurch kann von Österreich aus ein Impuls für einen innermuslimischen Dialog in Gang gesetzt werden, welcher dringender denn je notwendig ist, um die Ursachen für die religiös motivierte Gewalt bei der Wurzel anzupacken und den Extremisten den Nährboden zu entziehen. Dieser Krieg ist ein Stellvertreterkrieg zwischen Teheran und Riaad mit all den Verbündeten im Hintergrund. Ein sunnitisch, schiitischer Dialog auf theologischer, politischer und gesellschaftlicher Ebene ist so wichtig, wie ein Tropfen Wasser in der Wüste. Verstöße hiergegen bezahlen wir unweigerlich mit neuen Flüchtlingsströmen.

Der unumgängliche Lösungsansatz der gegenwärtigen Konflikte liegt in der Implementierung einer säkularen Ethik

Ich bin der festen Überzeugung, dass der Schlüssel für die längerfristige Lösung der gegenwärtigen Probleme in einer säkularen Ethik liegen, welche auf globaler Verantwortung basiert. Wir müssen Brücken zwischen Kulturen, Religionen und Ethnien bauen. Statt Religionsunterricht gehört Ethikunterrricht implementiert, damit das Gemeinsame, wie Liebe, Mitgefühl und Respekt in der Erziehung Eingang finden. Eine säkulare Ethik schärft den Verstand und ist nicht die Summe von Ver-, und Geboten sondern die Anleitung zu inneren Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. Wenn wir es schaffen, allgemein verbindlich säkulare ethische Werte zu verfolgen, werden wir Frieden bekommen und in Dialog treten können. Ein realistischer Blick auf die Gegenwart zeigt, dass ein universeller Zugang zu Fragen der Ethik unumgänglich ist. Der gemeinsame Weg führt über mehr Verantwortung auf globaler, europäischer, nationaler und regionaler Ebene. Frieden wird nur dann von Dauer sein, wenn die einzelnen Menschen und Völker frei sind, wenn die Menschen zu Essen haben und die allgemeingültigen Menschenrechte respektiert werden. Egoismus und blinder Nationalismus führen nicht zu einem besseren Leben, die Geschichte ist der beste Beweis dafür.

„Wir haben uns hier in den letzten Jahrzehnten in Bezug auf die Gleichberechtigung der Geschlechter einen großen Fortschritt erarbeitet. Wir haben eine Demokratie. Diejenigen, die zu uns kommen, müssen diese Regeln akzeptieren.” Besonders der islamische Fundamentalismus würde diese Werte bedrohen, und genau davor seien ja auch viele Flüchtlinge auf der Flucht. “Dieser politisierte Islam, der Islamismus, da stehen die Frauen als erstes im Visier. Ihre völlige Entrechtung, bis hin zu ihrer Unsichtbarkeit.” Mit Deutschkursen, die gleichzeitig Aufklärungskurse sein sollen, müssten die Flüchtlinge lernen, “was Demokratie ist, was Rechtsstaat ist, was Gleichberechtigung ist. Sie müssen verstehen, dass man bei uns Kinder nicht schlagen darf, Frauen nicht im Haus gefangen halten darf, ihnen keine Vorschriften machen darf und dass Frauen einfach dieselben Rechte haben wie Männer.” Es darf keine Relativierung unserer Werte und Gesetze im Namen einer Religion geben. Die Flüchtlingsbetreuung oder auch nur Teile davon, dürfen nicht in die Hände von rückwärtsorientierten, vom Ausland gesteuerten und finanzierten Islamverbänden, gelegt werden. Wenn wir diesen Weg beschreiten, welcher leider schon teilweise beschritten wurde, legen wir den Grundstein für die zukünftigen Probleme.

[1] Yasar Nuri Öztürk, Der verfälschte Islam, Grupello Verlag 2007, Seite 9

[2] Martin Gehlen in Zeit Online, Ausgabe vom 25.10.2015, Der Islam im Krieg gegen sich selbst, http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-10/islam-saudi-arabien-salafismus-dogmatismus/komplettansicht

[3] http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150909_OTS0224/start-der-muslimisch-juedischen-leadership-plattform

Von Efgani Dönmez
EFGANİ DÖNMEZ Projektmanagement – Abgeordneter zum Nationalrat a.D.

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