Die kürzlich erfolgte Ernennung zur Führung der türkischen Diaspora-Agentur bestätigt die seit langem bestehende Ansicht, dass die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan daran interessiert ist, ihre radikal spaltende politisch-islamistische Ideologie unter türkischen und muslimischen Diasporagemeinschaften im Ausland zu fördern, insbesondere auch in Österreich.
Die Agentur, die offiziell als Präsidentschaft für Türken im Ausland und verwandten Gemeinschaften (Yurtdışı Türkler ve Akraba Topluluklar Başkanlığı – YTB) bezeichnet wird, ist seit geraumer Zeit ein Sprachrohr für Erdoğans langen Arm im Ausland. Ursprünglich als lang verspätetes Projekt der türkischen Regierung zur Verbesserung des Wohlergehens der im Ausland lebenden Türken angepriesen, wurde die Agentur im Jahr 2011 rasch in ein Instrument umgewandelt, um heimliche Projekte voranzutreiben, die in den Büros von Erdoğan und seinen Mitarbeitern entwickelt wurden. Die offizielle Selbstdefinition und Auftrag der YTB-Institution ist, den Erhalt der kulturellen und sprachlichen Identität der Türkei und der im Ausland lebenden aus der Türkei stammenden Bevölkerung zu unterstützen. In Wirklichkeit ist es jedoch eine Propagandabehörde für die AKP und seiner Mitarbeiter, einschließlich des türkischen Geheimdienstes (MIT), um das Image von Präsident Erdoğan und seiner AKP im Ausland zu fördern.
Am 26. Oktober 2018 ernannte Präsident Erdoğan einen 34-jährigen Mann namens Abdullah Eren zum Leiter des YTB (Yurtdışı Türkler ve Akraba Topluluklar Başkanlığı). Teil des Planes ist, die Agentur YTB vollständig als Sprachrohr der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) im Ausland zu verwandeln. Eren war stellvertretender Leiter der Jugendabteilungen der AKP Istanbul und arbeitete daran, die Tentakel der AKP auf dem Balkan auszudehnen, eine Region, die er als jemand kennt, da er in der Gegend von Komotini in Griechenland geboren wurde und in der Türken in der Minderheit leben. Die Jugendabteilung der AKP Istanbul fungiert seit Jahren als Think Thank für Präsident Erdoğan, um sich mit gleichgesinnten muslimischen und türkischen Diasporagruppen auf der ganzen Welt zu vernetzen. Eren war ein Schlüsselakteur beim Aufbau von Allianzen und der Suche nach Menschen, die für das Erdoğan-Regime hilfreich sein könnten, um das Image der AKP und des Präsidenten unter den Diasporagemeinschaften zu fördern.
Es war sicherlich kein Zufall, dass Eren darauf vorbereitet wurde, für das Erdoğan-Regime tätig zu sein. Er wurde wie viele andere aus der türkischen Gemeinschaft in West-Thrakien entdeckt und gefördert. Von dort aus rekrutiert der türkische Geheimdienst (MIT) häufig Rekruten, nachdem sich herauskristallisiert, dass der Umworbene und seine Familie den Interessen des türkischen Staates gegenüber loyal sind. Sein Onkel ist Hakan Çavuşoğlu, der als stellvertretender Ministerpräsident diente und nach wie vor ein wichtiger ranghoher Beamter der Erdoğan-Regierung ist. Cavusoglu gilt auch als Chefstratege für die türkische Politik auf dem Balkan. Der Onkel, zu dessen Portfolio die YTB gehörte, brachte Eren als vorläufigen Leiter der YTB in diese Position und löste ihn von der beratenden Position im Premierministerium ab, um eine Schlüsselstelle zu erhalten. Erens Bruder İbrahim Eren ist ein enger Freund von Präsident Erdoğan’s Sohn Bilal. Die beiden kennen sich seit der Schulzeit. Präsident Erdogan ernannte Ibrahim zum Leiter des staatlichen TRT-Netzwerks in der Türkei. Der Vater der Eren-Brüder, Halit Eren, ist Direktor des von der Türkei finanzierten Forschungszentrums für Islamische Geschichte, Kunst und Kultur (IRCICA) in Istanbul. Abdullah Eren war auch bei der Stiftung für politische, wirtschaftliche und soziale Forschung (SETA) tätig, einem als Think-Tank getarnten Propagandainstrument der türkischen Regierung. Welche damit beauftragt ist, dass, was Präsident Erdoğan umsetzen möchte, umzusetzen oder auch im Ausland Themen und Diskussionen voranzutreiben, wie zum Beispiel den jährlich erscheinenden Islamophobiebericht in Österreich, welcher vom ägyptischstämmigen Österreicher Farid Hafez verfasst wird. Es ist bekannt, dass SETA als lukrativer Arbeitgeber für Personen im staatlichen Umfeld ist. Tatsächlich hatten viele Beamte der Erdoğan-Regierung, einschließlich seines Sprechers İbrahim Kalın – eine hartgesottene islamistische Persönlichkeit – ihren Lebenslauf bei SETA aufgebaut, bevor sie zum Geheimdienst, zum Büro des Präsidenten und zu anderen Regierungsstellen wechselten.
Seit 2013 arbeitet Eren daran, Gruppen von Menschen aus dem Balkan zu Treffen mit Präsident Erdoğan zu organisieren, insbesondere in der Zeit als er für die AKP-Jugendabteilung in Istanbul noch tätig war. Es gelang ihm, eine Versammlung mit rund 100 jungen Menschen abzuhalten, welche für politische Parteien oder NGOs in Griechenland, Mazedonien, Kosovo, Serbien, Montenegro, Rumänien, Albanien, Deutschland, Bosnien-Herzegowina und Österreich aktiv sind. Das Projekt war Teil von Präsident Erdoğans persönlichem Auftrag, die Vertretungen auf dem Balkan zu unterstützen und Politiker, politische Parteien und NGOs zu unterstützen, die mit der islamistischen Politik der AKP verbunden sind oder sich daranhalten. Das Projekt wurde von Aziz Babuşçu, einem Vertrauten von Erdoğan und Leiter der Provinzabteilung in Istanbul, überwacht. Babuşçu wurde im März 2017 von Bulgarien ausgewiesen, da er seine Funktion als Vorsitzender der türkisch-bulgarischen parlamentarischen Freundschaftsgruppe nutzte, um sich in die bulgarischen Wahlen zum Nachteil von Bulgarien einzumischen. Laut den durchgesickerten E-Mails von Berat Albayrak, dem Schwiegersohn von Präsident Erdoğan, war die YTB überwiegend mit Islamisten besetzt. Eine E-Mail an Albayrak, die am 29. November 2013 vom General Manager der staatlichen türkischen Petroleum International Company (TPIC), Mithat Cansız, dem Freund von Albayrak, gesendet wurde, ergab, dass 70% der Mitarbeiter der YTB aus einem politisch-islamistischen Milieu stammen und in der Vergangenheit eine Verbindung mit der Fethullah Gülen Bewegung hatten. Das war vor einer massiven Säuberung in der türkischen Regierung, die zur Entlassung von über 130.000 Mitarbeitern führte. Möglicherweise hat die rechtswidrige Säuberung von erfundenen Anschuldigungen die YTB vollständig in die Hände von Islamisten gelegt.
Das Budget der YTB für 2018 wurde in der Ausgabenrechnung auf 285,8 Mio. TL festgesetzt, erhöhte sich jedoch mit zusätzlichen Mitteln auf 333,9 Mio. TL (Stand Juni 2018). Für das Haushaltsjahr 2017 belief sich das Budget auf 277,8 Mio. TL. Dennoch gab die YTB 295,6 Mio. TL aus, um laufende Ausgaben zur Finanzierung von Operationen in Diasporagemeinschaften und Stipendien für ausländische Studenten, die in der Türkei studieren, zu tätigen. Für das Jahr 2018 wurde das Budget für laufende Ausgaben auf 249,7 Mio. TL festgelegt, wovon 57 Prozent bereits im ersten Halbjahr 2018 ausgegeben wurden. Ähnliche Diskrepanzen zwischen den gesetzten Zielen und den tatsächlichen Ausgaben sind im Haushaltsposten unter dem Titel Finanzierung von NGOs zu sehen. Dementsprechend stellte die YTB zu Beginn des Jahres 26 Mio. TL für die Finanzierung von NGOs zur Verfügung, hatte jedoch zum 30. Juni 2018 65,8 Mio. TL ausgegeben. Eines der wichtigsten Projekte, die das YTB verfolgt, ist das Studium muslimischer Diasporagemeinschaften. Dies war Präsident Erdoğans Plan, nicht nur türkische, sondern auch nicht-türkische muslimische Minderheitengruppen im Ausland zu erfassen, damit er seine Kalifatmarke unter ihnen fördern kann. Interessanterweise konnte er dies mithilfe seiner bei OIC-Tochtergesellschaften angesiedelten Loyalisten an die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) verkaufen. Das YTB hat in Zusammenarbeit mit dem Statistischen, Wirtschafts- und Sozialforschungs- und Ausbildungszentrum für islamische Länder (SESRIC), einer OIC-Agentur, im Mai 2018 einen Workshop abgehalten, um Fragen der muslimischen Diasporagemeinschaften anzusprechen. Die von SESRIC vorgelegte Umfrage, die von Musa Kulaklıkaya, einem früheren Leiter der türkischen Entwicklungs- und Kooperationsagentur (TIKA), einem weiteren Zweig der Regierung von Präsident Erdoğan, geleitet wird, konzentrierte sich auf Diasporas in Deutschland, Österreich, Frankreich und dem Vereinigten Königreich. Die Erhebung war ein diskreter Schritt des Erdoğan-Regimes, den Puls der muslimischen Diaspora zu spüren und auf der Grundlage der Ergebnisse Maßnahmen zu entwickeln, die auf die Zielgruppe abzielen.
Mit der großzügigen Unterstützung anderer Regierungsabteilungen, wie dem Ministerium für Jugend und Sport organisiert die YTB kostenlose Jugendlager in der Türkei, um junge Türken aus dem Ausland zu einer Gehirnwäsche bei den Idealen des Erdoğan-Regimes zu bringen. Das Programm wurde von türkischen Botschaften und AKP-Zweigstellen in anderen Ländern und auch in Österreich offen beworben. Die YTB organisierte im Jahr 2018 ein halbes Dutzend Lager für Jungen und Mädchen, um Ausländer türkischer Herkunft in einer Reihe von Vorträgen türkischer Beamter zu indoktrinieren. Sie koordiniert auch das Netzwerk von rund 150.000 Ausländern in 165 Ländern, die einen Abschluss an türkischen Universitäten absolviert haben. Das YTB finanziert auch Vereine, die ausländische Studierende versorgen, und hat 2018 dazu beigetragen, zu diesem Zweck sechs Organisationen zu gründen. Es bringt Absolventen ausländischer Schulen in anderen Ländern zusammen, die ebenfalls von der Türkei finanziert wurden. Es bietet auch Stipendien für Studenten in der Diaspora. Um seine Aktivitäten zu fördern, gründete das YTB im Januar 2018 in Straßburg eine Diaspora Communications Academy und bildete dazu 20 Personen aus. Während die YTB versucht, Erdoğans Ideologie auf diskretere Weise in westliche Länder zu exportieren, hat sie dies in den asiatischen Ländern öffentlich getan. So entwickelte das YTB gemeinsame Projekte mit dem südasiatischen strategischen Forschungszentrum (Güney Asya Stratejik Araştırmalar Merkezi oder GASAM), einer NGO, die von Ali Şahin, einem in Pakistan gebildeten Islamisten, geführt wird und nun als stellvertretender Vorsitzender der AKP von Erdoğan dient, welcher verantwortlich für die Entwicklung der Sozialpolitik ist. Sowohl das YTB als auch das GASAM haben eine Politik entwickelt, um asiatische muslimische Gemeinschaften zu umwerben, um die Idee von Erdoğan als Führer aller Muslime auf der Welt zu präsentieren. Im Mai 2016 organisierte GASAM beispielsweise eine Konferenz in Istanbul, die sich mit der Kalifatbewegung in Indien beschäftigte.
Es ist offensichtlich, dass die YTB Projekte verfolgt, um Teile der türkischen und muslimischen Diasporagruppen anfälliger für die radikalisierenden Bemühungen des Erdoğan-Regimes zu machen. Ich rate dringlich davon ab, unter dem Deckmantel von Integration, Toleranz und interreligiösem Dialog diesen Bestrebungen eine Bühne in Österreich zu geben. Der Missbrauch des österreichischen Vereinsrechtes durch Diasporagruppen in Österreich muss aktiv ein Riegel vorgeschoben werden. Diese Entwicklungen sind ein Risiko und eine Gefährdung der nationalen Sicherheit in Österreich. Quelle: https://twitter.com/yurtdisiturkler/status/628841474306781184