EFGANİ DÖNMEZ Projektmanagement – Abgeordneter zum Nationalrat a.D.

„Zwischen Respekt und Bevormundung: Warum KI-Systeme kulturell und religiös dazulernen müssen“

Ein kritischer Beitrag zur Entwicklung ethischer Standards in der Künstlichen Intelligenz

In der Debatte um Künstliche Intelligenz und Ethik wird oft betont, wie wichtig Rücksichtnahme, Sensibilität und Respekt gegenüber religiösen und kulturellen Überzeugungen sind. Das ist grundsätzlich richtig – doch es gibt einen Punkt, an dem diese Rücksicht kippt: Wenn sie zur Bevormundung wird.

Als gläubiger Muslim bat ich ein KI-System, ein würdiges, nicht-spöttisches Bild des Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) zu generieren – basierend auf historischen Überlieferungen, mit dem ausdrücklichen Hinweis auf meine religiöse Überzeugung. Die Antwort: Eine kategorische Ablehnung mit Verweis auf globale ethische Richtlinien. Kein Raum für Differenzierung. Keine Anerkennung religiöser Mündigkeit. Keine Diskussion.

Diese pauschale Verweigerung wirft grundlegende Fragen auf:

Wer bestimmt, was Respekt bedeutet? Und wann wird ethische Vorsicht zur kulturellen Zensur?

Die Künstliche Intelligenz sollte nicht als neutrale Maschine verstanden werden – sie ist ein Spiegel dessen, was ihr an Wissen, Werten und Weltbildern mitgegeben wurde. Und genau hier liegt das Problem: Die derzeit vorherrschenden Ethik-Modelle großer KI-Plattformen basieren vorwiegend auf einem westlich-säkularen Verständnis von Religion und Konfliktvermeidung. Das führt in der Praxis nicht selten dazu, dass religiöse Tiefe durch technische Vorsicht ersetzt wird.

Wir brauchen eine neue Ethik der Künstlichen Intelligenz, die nicht nur auf Angst vor Shitstorms reagiert, sondern auf Verständnis, Bildung und Differenzierung baut. Es reicht nicht, sich auf das Abwehren von Extremfällen zu beschränken – stattdessen muss der Raum für religiöse Mündigkeit, kulturelle Selbstbestimmung und aufgeklärte Vielfalt geöffnet werden.

Ich schlage vor, dass KI-Systeme künftig nicht nur mit allgemeinen moralischen Standards trainiert werden, sondern auch mit dem geistigen Erbe jener Denker, die das Verhältnis von Vernunft, Religion und Freiheit in die Moderne geführt haben:

  • Immanuel Kant, dessen „Sapere aude“ – Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen – nicht nur für Europäer, sondern für alle Menschen gilt.
  • Johann Gottfried Herder, der die kulturelle Einzigartigkeit jedes Volkes als Bereicherung der Menschheit begriff.
  • Sigmund Freud, der das kulturelle Unbewusste und die Tiefen menschlicher Symbolik verstand.
  • Und vor allem: islamische Denker wie Dr. Yaşar Nuri Öztürk, die eine rationale, spirituell tief verwurzelte und zugleich zeitgemäße Auslegung des Islam vertreten.

Diese Stimmen fehlen bislang im Ethikfundament der Künstlichen Intelligenz. Ohne sie wird KI nie mehr als ein höflicher, aber inhaltsleerer Filter sein – und niemals ein echter Gesprächspartner auf Augenhöhe.

Es ist an der Zeit, das zu ändern.

Von Efgani Dönmez
EFGANİ DÖNMEZ Projektmanagement – Abgeordneter zum Nationalrat a.D.

Archiv

Kategorien

Schlagwörter-Wolke