EFGANİ DÖNMEZ Projektmanagement – Abgeordneter zum Nationalrat a.D.

Was die Türken in Österreich vom Tabonuco-Baum lernen könnten

Am äußersten südlichen Rand der Karibik, knapp 100 Kilometer vor der Küste Südamerikas, liegen Aruba, Bonaire und Curacao, die ABC-Inseln, welche immer wieder von schweren Hurrikans heimgesucht werden .Die Gewalt der Hurrikans entwurzelt immer wieder zahllose Bäume. Wissenschafter haben jedoch eine Baumart entdeckt, die angesichts der wiederkehrenden Wirbelstürme eine einzigartige Überlebensstrategie entwickelt hat. Zwar verliert auch der Tabonuco-Baum sein Laub und Geäst, aber dank eines genialen Tricks hat er einen sturmsicheren, festen Stand: seine Wurzeln reichen nicht nur tief in die Erde – an der Oberfläche verbinden sich manche von ihnen auch mit anderen Tabonucos in der Nähe. Und so bieten einander zehn bis 20 dieser Baumriesen in stürmischen Zeiten gegenseitig Halt.

Asik Veysel (1894-1973), ein berühmter anatolischer Volksdichter und Musiker beschrieb in seinen Versen die Schönheit der Natur und die Verbundenheit des Menschen mit ihr. Die gegenseitige Abhängigkeit von Mensch und Natur wird uns tragisch vor Augen geführt, wenn zig tausende Menschen durch die extremen Wetterkapriolen ihre Existenz verlieren und zu Tode kommen. Die überwiegende Mehrheit der leidtragenden Menschen sind meist nicht die Verursacher, denn 95% der Emissionen, welche sich negativ auf das Klima auswirken und diese extremen Wetterkapriolen auslösen, werden von den reichen Industrieländern verursacht. Wir alle leben in einer Welt, aber dennoch in vielen verschiedenen „inneren Welten“.

Als eine dieser „inneren Welten“ könnte man die Situation der ArbeitsmigrantInnen aus der Türkei in Österreich benennen. Faktum ist, dass die aus der Türkei stammenden MigrantInnen, jene Gruppe der MigrantInnen ist, welche am längsten in Österreich lebt. Sie ist auch jene Gruppe, die die meisten sogenannten „Kulturvereine“ betreibt. Wenn man sich die diversesten Studien und Umfragen ansieht, dann sind die türkischstämmigen MigrantInnen, jene die in überwiegend allen Bereichen am unteren Ende angesiedelt sind. In Fragen der Sprachkompetenzen, in Fragen der Integration, in Fragen der Bildung – jene mit den geringsten Abschlüssen, usw.. Dieser Umstand schmerzt mir in der Seele und bedrückt mich, gleichzeitig tauchen viele Fragen auf.

Warum ist das so? Wer profitiert von dieser Situation und wieso möchte niemand etwas daran ändern? Was könnten türkisch- kurdischstämmige, die in Österreich leben, von einem Baum lernen?

Würde jemand auf die Idee kommen, die bisherige Tätigkeit der diversen „Kulturvereine“ auf die oben genannten Bereiche zu durchleuchten. Das Ergebnis wäre ein vernichtendes. Es schmerzt mir in der Seele, wenn ich erzählt bekomme, dass Türken und Kurden sich regelrechte Kämpfe liefern. Es schmerzt mir in der Seele, wenn Sunniten und Aleviten sich gegenseitig madig reden. Es schmerzt mir in der Seele, wenn der verlängerte Arm der Politik aus der Türkei in der neuen Heimat Österreich, Konflikte schürt.

Für all diese Zustände, kann und darf man die „Kulturvereine“ nicht aus der Verantwortung lassen. Denn diese sind unter anderem die Verantwortlichen, aber gleichzeitig auch jene, die die Lösung und Überwindung der beschriebenen Situation in der Hand haben.

Die nächste Frage, wer davon profitiert und wieso niemand daran etwas daran ändern möchte, ist, trotz der Komplexität des Themas, relativ leicht beantwortet. Es profitiert NIEMAND, außer die österreichische Innenpolitik. Denn solange die türkisch-kurdischstämmigen MigrantInnen durch Konflikte innerhalb der eigenen Gruppe mit sich selber beschäftigt sind, solange werden die meisten nicht den Blick dafür freihaben, mitzubekommen, welche doppelbödige Politik hinter ihrem Rücken, auf ihre Kosten und die ihrer Kinder gemacht wird. Nebenbei erwähnt, diese Art von doppelbödiger Politik wird überwiegend in Unwissenheit, von den aus der Türkei stammenden MigrantInnen, unterstützt. In Bildern gesprochen würde dies bedeuten; „Das zu schlachtende Schaf schleift dem Metzger das Messer und bedankt sich dafür noch bei ihm“, aber das ist ein eigenes Thema…

Eine sich solidarisierende MigrantInnengruppe aus der Türkei hätte ein enormes Machtpotenzial in der Hand und könnte gewichtigen Einfluss auf das Geschehen und die Entscheidungen in Österreich nehmen. Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und Österreich würden eine noch gewichtigere Rolle bekommen und viele Themen, in ein anderes Licht rücken und den Handlungsspielraum erweitern.

Der Tabonuco-Baum überlebt die stürmischen Zeiten nur deswegen, weil er sich mit anderen Bäumen verbindet und sich festen Halt in der Umgebung verschafft. Jedes Lebewesen ob Pflanze oder Tier, wird über kurz oder lang nicht überlebensfähig sein, wenn es sich nicht an die Umgebung anpasst Die Zeiten für MigrantInnen werden in nächster Zeit noch stürmischer werden, insbesondere für jene, welche über einen schlechten Halt, verfügen. In diesem Punkt ist uns die Natur, der Tabonuco-Baum eindeutig vor raus. Es ist höchst an der Zeit sich zu vernetzen und sich gegenseitig Halt zu geben, egal ob Türke oder Kurde, Sunnite oder Alevite.

Von Efgani Dönmez
EFGANİ DÖNMEZ Projektmanagement – Abgeordneter zum Nationalrat a.D.

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