Üblicherweise dominieren im Wahlkampf kurze Sprüche oder einzelne Schlagworte auf Plakatwänden, wenig informative Werbeinserate und -broschüren, sowie hitzige TV-Konfrontationen. Thematische Inhalte und persönliche Haltungen treten zu oft in den Hintergrund, obwohl diese doch wahlentscheidend sein sollten, nicht wahr?
Daher gehe ich in den letzten drei Wochen vor der Wahl hier auf meinem Blog (und auf meiner neuen Facebook-Seite Efgani Dönmez) auf eine Handvoll politischer Hauptziele etwas ausführlicher ein, als diese auf meinem Flyer Platz gefunden haben – wir brauchen Inhalte statt Sprüche! Jetzt aber zu einem der fünf auf meinen Flyern formulierten Zielen: ein Bildungssystem, das kein Kind zurücklässt.
Bildunk…ähm Bildung bedeutet für mich lernen in allen Lebensphasen, von der Kindheit bis ins hohe Alter. Bildung ist nicht nur Aneignung von Wissen und Informationen für den Beruf, welcher meist vom Markt diktiert wird. Bildung ist auch nicht nur zu erfahren, was wichtig/notwendig und was weniger wichtig/vernachlässigbar ist. Sie befähigt zum Handeln in neuen Lebenssituationen. Für mich hat Bildung einen innovativen Charakter und befähigt zu einer aktiveren Beteiligung am Geschehen, sei es in der Arbeitswelt, am Gemeindeleben oder politisches sowie soziales Engagement.
Eine Lernkultur des 21. Jahrhunderts muss neben Wissensvermittlung für den Arbeitsmarkt auch soziale Erfahrung und vor allem bewusstseinsbildende Identitätsfindung ermöglichen. Kinder und Jugendliche müssen lernen, dass sogenannte soft skills, wie soziale Kompetenz und Bewusstseinsbildung genauso wichtig sind, wie die Produktion von wirtschaftlichen Gütern oder der sorgsame Umgang mit Finanzkapital – sei es privat oder staatlich. Eine moderne Schule des 21. Jahrhunderts muss als oberstes Ziel das „Leben lernen“ haben. Die Individualität der Lernenden gehört in den Mittelpunkt gerückt, dies bedeutet Freiräume für selbstständiges Arbeiten zu forcieren. Der schulische Bildungsauftrag darf sich nicht nur auf die Vermittlung von Kulturtechniken wie Lesen, Rechnen, Schreiben reduzieren. Mehr Eigeninitivative und Selbstständigkeit für Lernende! Die eigene erbrachte Leistung muss überprüfbar sein, aber die Prüfung keinen Sanktionscharakter haben. Aus Fehlern können wir nur lernen, wenn wir sie auch machen dürfen. Lernen – in wie außerhalb der Schule – muss in verbindende Kontexte eingeordnet geschehen, z.B. in Form von Projektarbeiten, freiwilliges soziales Engagement, Schulunterricht in Verbindung mit Teilzeitarbeit (falls SchülerInnen in die Arbeitswelt wechseln),…
Für mich steht fest, dass Menschen, dann am besten lernen, wenn sie der Überzeugung sind, dass es um was geht, das es wichtig ist und das es etwas bringt, das heißt das Lernen für etwas und von etwas sinnvoll ist. Die LehrerIn in der aktiven Rolle des Wissensvermittlers und der Prüferin gehört abgelöst. Lehrende der Zukunft sind Coaches, die beraten ohne zu belehren, motivieren ohne zu reglementieren, aktivieren statt direktiv eingreifen. Unser Bildungssystem steht vor einem Paradigmenwechsel von der reinen berufsbezogenen Wissensvermittlung zur lebensgestaltenden Kompetenzvermittlung. Das Bildungsziel des 21. Jahrhunderts wird mehr denn je geprägt sein von Bewusstsein, Eigenständigkeit, Selbstbestimmung, Handlungs- und Kritikfähigkeit sowie Empathie und Verantwortungsbereitschaft.
Mein eigener Lebenslauf ist der beste Beweis dafür, dass durch Bildung der Aktionsradius erweitert wird. Als Kind einer Arbeiterfamilie habe ich nach Beendigung meiner Schulpflicht eine Lehre als GWH-Techniker begonnen. Nach Beendigung der Doppellehre habe ich berufsbegleitend die Studienberechtigungsprüfung abgelegt. Ich hatte immer den Zugang ich probiere es, wenn ich es schaffe, dann mache ich weiter und wenn nicht, dann habe ich auch nichts zu verlieren und ich mache dort weiter, wo ich aufgehört habe als gelernter Arbeiter. Nach positiver Beendigung der Studienberechtigungsprüfung habe ich berufsbegleitend Sozialarbeit studiert, da ich zu vor den Zivildienst in einer Sozialeinrichtung begonnen hatte und tiefe Einblicke in die damals desaströsen Zustände in der Asylbetreuung miterlebt hatte. Nach vier Jahren berufsbegleitendem Studium war ich diplomierter Sozialarbeiter und leitete einige Sozialeinrichtungen für Jugendliche. Durch diese Erfahrung und in Ergänzung mit dem Studium wurde ich gefragt, ob ich nicht an der Fachhochschule als Lektor für den Bereich des Fremdenwesens unterrichten möchte. Was ich auch bis dato noch immer mit großer Freude mache. All diese Erfahrungen und Erlebnisse brachten mich in die Politik, wo ich nun seit 2008 als Mitglied des Bundesrates tätig bin und davor passenderweise noch ein Studium der Mediation und des Konfliktberaters absolviert habe. Durch diesen Zugang hat sich für mich persönlich der Aktionsradius und der Handlungsspielraum massiv erweitert. Es ist natürlich keine Garantie gegen Arbeitslosigkeit, aber die Wahrscheinlichkeit hat sich dadurch wesentlich minimiert. Langeweile, sinnlose Tätigkeit oder Überwindung zur Arbeit zu gehen sind für mich kein Thema mehr. Ich kann es mir aussuchen, wo ich arbeite, mit wem ich arbeite und wann ich z.B. für meine Mediationsfirma tätig bin. Ich kann nur jeder und jedem ans Herz legen unterschiedliche Wege im Leben zu gehen, denn daran wachsen wir und der Handlungsspielraum wird wesentlich größer. Das Fundament hierfür ist die Bildung, im persönlichen und auch im fachlichen Sinne.
Dazu braucht keine neuen Studien, wie das Bildungssystem durch Bund und Länder reformiert werden sollte. Alle Erkenntnisse und Möglichkeiten liegen bereits seit Jahren auf dem Tisch. Um die notwendigen Maßnahmen zu setzen braucht es nur eins: Mut.
Mehr Mut in der Politik, um Entscheidungen fürs Allgemeinwohl treffen, nicht zum Vorteil einzelner Lobbygruppen, sondern zum Vorteil für Österreich, Europa und die Welt. Gemeinsam schaffen wir das. Am 29.9. entscheiden wir auch beim Thema Bildung, wohin die Reise geht.
Mit herzlichen Grüßen,
Efgani Dönmez …jetzt auch auf Facebook: www.facebook.com/efgani.doenmez