EFGANİ DÖNMEZ Projektmanagement – Abgeordneter zum Nationalrat a.D.

Offener Brief an die Kirchenvertretung – Kirche und “Interreligiöser Dialog” – Die Kirche und der politsche Islam – Eine Mischung aus naiver Unwissenheit und berechnendem Kalkül

Katholische Kirche in Oberösterreich
Diözese Linz
z.H. Diözesanbischof Herr Dr. Manfred Scheuer

Herrenstraße 19

Postfach 251

                                                                                                      Linz, am 19.10.2020

Sehr geehrter Herr Diözesanbischof Dr. Scheuer,

ich hatte im Frühjahr 2017 die Ehre, gemeinsam mit dem Obmann des Türkischen Kulturvereins Herrn DI Kilic, Sie und Ihre Mitarbeiter zu besuchen. Wir wurden freundlich empfangen und hatten ein sehr offenes Gespräch. Die Grundlage dafür war eine meiner Kolumnen, welche im April 2017 zum Thema „Kirche und Interreligiöser Dialog“ in den OÖNachrichten publiziert wurde. Seit dem sind drei Jahre vergangen und es stehen nach wie vor, wie ich den Entwicklungen der letzten Tage entnehmen kann, dieselben Themen auf der Tagesordnung.

Jeder Funktionsträger in höheren Positionen, sei es in der Politik oder Kirche hat seine Berater und Einflüsterer, welche mit Rat und Tat sowie den sozialen Kontakten, in Ihrem Fall die Geschicke der Kirche beeinflussen. 

Es gibt Berater und Einflüsterer, welche analytische Denker sind, einen vorausblickender Geist besitzen, Visionäre sind, welche versuchen die gesellschaftliche Wirklichkeit schonungslos wiederzugeben.

Als oberster oberösterreichischer Kirchenvertreter haben Sie bestimmt kein Interesse daran, dass Einflüsterer und Demagogen mit halben Wahrheiten ganze Erfolge erziehen, man muss den Stimmen, egal aus welchem (ideologischen/ religiösen) Lager recht geben, wo sie recht haben und sie dort kritisieren, wo sie versuchen die Wahrheit zu verzerren. Ich erkenne bei der Kirche und manchen ihrer Vertreter sowie bei Ihnen, das ehrliche, aufrichtige und gutgemeinte Bemühen über den „Interreligiösen Dialog“ mit anderen Konfessionen in einen Prozess des Austausches und der Vertiefung zu kommen. Dies ist zweifelsohne absolut notwendig und gutgemeint, jedoch gutgemeint ist, nicht immer gut, insbesondere dann, wenn ihr guter Wille benutzt und ausgenutzt wird.

Leider erkenne ich in Teilen der Kirche, dass sie immer mehr zu einem Einfallstor für reaktionäre Islamverbände und deren Ableger sowie deren Funktionäre fungiert, vor allem, wenn es sich um den sogenannten dehnbaren Begriff des „Interreligiösen Dialog“ handelt. 

Diese Mischung aus naiver Unwissenheit und berechnendem Kalkül, welche Teile der Kirche und ihrer Vertreter nach wie vor zutage legen, hat meiner Meinung nach fatale Auswirkungen auf die Kirche und auf unsere Gesellschaft. Durch die mittlerweile unübersehbare Kooperation von Teilen der Kirche, insbesondere ihrer Diözese, unter dem Deckmantel des „Interreligiösen Dialogs“ agiert die Kirche als Türöffner für reaktionäre Strömungen des Islams. Durch diese Mischung aus Naivität und Kalkül bieten Sie als oberster Kirchenvertreter OÖ, unnötigerweise auch eine Angriffsfläche für die Kirche und eine Plattform für die Vertreter des politischen Islams. Es ist eine unerträgliche Anmaßung, wenn Vertreter der reaktionären Muslimverbände sich das Recht herausnehmen, im Namen der Muslime in Österreich zu sprechen und von Teilen der Kirche dann auch noch dafür eine Bühne in Form von oberflächlich abgehaltenen „Interreligiösen Dialogen“ und Besuchen, welche mit Unterstützung ihrer Mitarbeiter organisiert werden, bekommen. 

Alle Vertreter der organisierten Muslimverbände mit denen Sie sich und ihre Mitarbeiter ablichten und medial in Szene setzen, stammen aus dem Umfeld von nationalistisch-islamistischen Gruppierungen. Diese Stimmen vertreten nicht die Auslegung eines humanistisch, liberalen, sich an der Wissenschaft orientierenden, antiautoritären Islams. Im Gegenteil, dies sind jene Ableger in Österreich, welche im Herkunftsland den säkularen Rechtsstaat aushöhlen, die Religion politisch instrumentalisieren und an der Transformation in einen Gottesstaat arbeiten, wo nicht die Rechtssprechung im Vordergrund steht, sondern das Scharia-Recht. Als Österreicher mit türkischen Wurzeln, welcher in Sivas/TR geboren wurde, erkenne mittlerweile nicht nur ich, wohin der Weg führt, wenn der säkulare Rechtsstaat als Garant für Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und Rechtstaatlichkeit durch reaktionäre Islamisten ausgehöhlt wird. 

Ich bin der festen Überzeugung, wenn Teile der Kirche sich nicht aus den Fängen und Kooperationen mit diesen reaktionären Islamverbänden glaubhaft und inhaltlich distanziert und ihren Fokus stärker auf jene Theologen und Muslime richtet, welche dem dumpfen reaktionären Islamverständnis eine moderne, zeitgemäße Islam-Auslegung entgegenstellen, dann werden sich Teile der Kirche, wie vor 1938 an der Ausbreitung bestimmter Entwicklungen mitschuldig machen. Wie sehr sich rechte Christen und reaktionäre Muslime in ihren Vorstellungen von Moral, Frauenbilder und zu Homosexualität gleichen, würde den Rahmen dieses Schreibens sprengen, darauf möchte ich hier im Detail gar nicht eingehen.

Als Moslem mit alevitischen Wurzeln und gläubiger Mensch, welcher seinen Glauben nicht in die Öffentlichkeit trägt, erwarte ich mir von der Kirche, dass sie nach jahrelangem Aufzeigen der problematischen Verquickungen von Teilen der Kirche mit den Vertretern der reaktionären Muslimverbände die richtigen Schlüsse daraus zieht. Die Kirche und ihre Vertreter werden über kurz oder lang nicht darüber hinwegkommen, den Dialog mit den Humanisten aller Konfessionen und/oder Konfessionslosen zu suchen, davon bin ich zu tiefst überzeugt. Ich hoffe sehr, geehrter und geschätzter Herr Diözesanbischof, dass diese Zeilen nicht nur Sie erreichen, sondern auch Kirchenintern von Rom bis in die Pfarrgemeinden zu einem Diskussionsprozess führt. Denn dies ist nicht eine Thematik, welche als Kircheninterna abgehandelt werden sollte, sondern unsere Gesellschaft und unsere gemeinsame Zukunft als Ganzes betrifft. 

Über eine Rückmeldung und inhaltlichen Austausch zur Thematik würde ich mich sehr freuen,

mit freundlichen Grüßen

Efgani Dönmez

Von Efgani Dönmez
EFGANİ DÖNMEZ Projektmanagement – Abgeordneter zum Nationalrat a.D.

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