Der Kreislauf öffnet sich. Menschen flüchten aus ihrer Heimat, stranden in Österreich, erhalten keinen gesicherten Aufenthalt. Wieder steht die Polizei vor der Tür: „Koffer packen!“ Abgeschoben wird in das Land, aus dem man geflohen ist oder durch den man nach Österreich gelangt ist. Der Kreislauf schließt sich.
Abschiebungen stehen an der Tagesordnung. Das ist auch gut so, sagt der gelernte Österreicher, denn wir sind ein kleines Land, wir können nicht alle aufnehmen. Schon weniger einhellig ist das Bild, wenn – wie im „Fall Arigona“ – längst integrierte Familien, nach vielen Jahren „anständig“ in Österreich, plötzlich abgeschoben werden. Da regt sich vielerorts Verständnis für die „Fremden“, die so fremd nicht mehr sind, da sie durch den persönlichen Kontakt mit der Bevölkerung ein Gesicht bekommen haben und aus „Fällen“ „Schicksale“ werden. Selbst ein Pfarrer, der ein von den Behörden gesuchtes Mädchen versteckt, wird plötzlich zum Helden.
Ein Pfarrer als Symbol des Widerstands, der Zivilcourage. Es war vorherzusehen, dass aus manch rechter Ecke auch gegen den Pfarrer gewettert wird und sich Politiker nicht entblöden, einen den Behörden ohnehin bestens bekannten Sachverhalt medienwirksam zur Anzeige zu bringen. Ein Pfarrer versteckt also in Not geratene Menschen. Ist er ein Einzelfall? Niederösterreichs Grünen-Chefin Madeleine Petrovic hat sich „geoutet“, seit dem Bosnien-Krieg viele Flüchtlinge beherbergt zu haben. Weitere „Geständnisse“ werden folgen.
„Ich kenne Menschen, die Flüchtlinge verstecken. Sie tun es aus religiöser oder politischer Anschauung heraus“, sagt auch Efgani Dönmez, von der Volkshilfe OÖ. Er betreut in einem Wohnheim in Urfahr („Jugendwohnhaus Blütenstr.“) zwanzig jugendliche Flüchtlinge und ist Experte im Fremdenrecht. Selbst stehe er nicht vor der Entscheidung, jemand notfalls verstecken zu müssen oder nicht. Denn seine Schützlinge sind allesamt minderjährig und unbegleitet, also ohne jedes Familienmitglied in Österreich. „Die Behörden warten meist, bis sie 18 Jahre alt werden, also unser Haus verlassen, und drücken ihnen dann den Bescheid in die Hand“, sagt Dönmez.
„Wer Menschen in Not versteckt, hat von der Menschlichkeit und Zivilcourage her meinen vollen Respekt“, sagt Dönmez. Er zieht einen vorsichtigen Vergleich zu 1945. Auch damals wurden Menschen versteckt. „Früher war das verboten und heute auch“. Menschlich gesehen könne er das Verstecken jedenfalls nachvollziehen.
Dass es überhaupt soweit kommen konnte, dass gut integrierte Familien nach Jahren in Österreich vor der Abschiebung zittern müssen, sei das Resultat einer völlig verfehlten Asylpolitik, so Dönmez. Gibt es einen Ausweg aus der momentanen Situation? „Es müsste eine Art Generalamnestie für solche Familien geben. Familien, die etwa vor dem Jahr 2000 nach Österreich gekommen sind, integriert sind und nicht straffällig wurden, sollen hier bleiben dürfen“, so sein Appell. Der Vorteil dieser Lösung: Die „alten Fälle“ wären (samt erheblichen bürokratischen Aufwand) vom Tisch und diese Familien hätten endlich Rechtssicherheit. Der Nachteil: „Die Zahl der Asylanträge würde kurzfristig steigen, denn so etwas spricht sich in den Herkunftsländen rasch herum.“
Die mediale Diskussion zum Thema humanitäres Bleiberecht stößt Dönmez sauer auf. Denn die Wahrheit wird konsequent verschwiegen. „Es ist eine scheinheilige Diskussion. Alle tun so, als würde das momentane Bleiberecht bedeuten, dass diese Familien wirklich dauerhaft hier bleiben dürften und alle einen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Und das ist einfach nicht wahr. Das Bleiberecht ist momentan auf bloß ein Jahr befristet. Man bekommt bloß einen Abschiebungsaufschub und muss nach einem Jahr wieder ein Ansuchen stellen. Nach einem Jahr dann wieder und immer so fort.“ Dönmez plädiert das Gesetz zu ändern und für solche Fälle endlich Rechtssicherheit zu schaffen, also unbefristeten Aufenthalt zu gewähren, unabhängig von „Gnadenerlässe“ eines Ministers und auf einer Ebene der Rechtsstaatlichkeit.
Quelle: Planet- Zeitung der GBW, Thomas Hartl, Ausgabe November-Dezember 2007