EFGANİ DÖNMEZ Projektmanagement – Abgeordneter zum Nationalrat a.D.

Ene Mene Muh und dran bist du – Das politische Spiel am Rücken der Flüchtlinge

Die Politik kratzt gegenwärtig nur an der Oberfläche herum. Ein Ende dieses Flüchtlingsstroms ist nicht in Sicht, da die verantwortlichen Eliten noch immer nicht erkannt haben, dass die Lösung der gegenwärtigen Probleme auf Entwicklung, Sicherheit und Kooperation beruhen und nicht auf Wettbewerb, wer denn die wenigste Verantwortung übernimmt. Die Verantwortung an die Landesgrenzen des angrenzenden Staates weiterzureichen, wie im Falle mancher Nachbarstaaten von Österreich, zeugen von einer globalen, europäischen und nationalen Kurzsichtigkeit. Er folgt archaischen Verhaltensmustern. Wir können versuchen, Mauern aufzurichten, um unseren Reichtum zu verteidigen. Aber diese Mauern werden dem Andrang von Abermillionen auf Dauer nicht standhalten.

Die Gemeinsamkeiten der chinesischen Mauer und die brüchige Festung Europa

Selbst die älteste und längste Mauer in der Menschheitsgeschichte, die chinesische Mauer, wurde um viel Geld errichtet und hat das damalige Kaiserreich an die Grenzen der Finanzierbarkeit gebracht, die Abkapselung und Isolierung führten das chinesische Kaiserreich in die Isolation und stellte die herrschenden Eliten vor immense Herausforderungen, letztendlich wurde die Schutzmauer zum eigenen Grab des Kaiserreiches.

Placebo Lösungen

Die besorgten Rufe nach neuen und schärferen Gesetzen werden die Probleme erst recht nicht lösen. Denn diese Rufe werden in den Kriegs- und Armutsgebieten Afrikas und des Nahen und Mittleren Ostens ungehört verhallen. Die Verzweifelten in Syrien, im Irak, in Afghanistan, Eritrea und Somalia und anderswo haben ganz andere Sorgen als unsere Asylgesetze zu lesen und ihre Destination nach Anerkennungsquoten auszuwählen. Noch weniger interessiert es sie, ob das Taschengeld für Asylbewerber gekürzt wird oder ob es durch Gutscheine ersetzt wird oder eine Innenministerin versucht Signale zu geben, welche bereits im Gesetz verankert ist, um Ö als Zielland nicht so attraktiv erscheinen zu lassen. All das ist den Kriegs- und Armutsflüchtlingen keinen Gedanken wert. Denn sie haben nur ein Ziel: Sie wollen ihr Leben retten, Taschengeld hin, Gutscheine her. Sie wissen, dass viele von ihnen umkommen werden wie bereits Tausende vor ihnen. Sie wissen auch, dass die Glücklichen, die es tatsächlich bis an unsere Grenzen schaffen, nicht mit offenen Armen aufgenommen werden, sondern dass ein beschwerlicher Weg mit viel Bürokratie und Unsicherheit auf sie wartet und dass Demütigungen und Anfeindungen ihre Wegbegleiter sein werden.

Wenn sie sich dennoch auf den Weg machen, dann ist ihr Beweggrund nicht Abenteuerlust und der Traum von einem bequemen Leben in einem fernen unbekannten Land, sondern die verzweifelte Lage in ihrer Heimat. Wer verlässt schon leichten Herzens seine Familie, seine Freunde, seine Bekannten, sein vertrautes Dorf, seine Stadt? Und wer geht schon gern in ein Land, dessen Sprache er nicht spricht, dessen Kultur er nicht kennt und von dem er weiß, dass es ihn nicht haben will? All denen, die über Neuankömmlinge die Nase rümpfen und „den ganzen Haufen“ postwendend zurückschicken wollen, sei angeraten, sich in einer ruhigen Stunde zu überlegen, was sich in unserem Land verändern müsste, damit sie sich selbst zu einer hochriskanten Reise ins Ungewisse entschließen.

Sprache schafft verzerrte Realitäten

Es zeugt von wenig Nachdenklichkeit, all die Menschen, die in Erstaufnahmeeinrichtungen, in Kasernen, in Turnhallen und desolaten Wohnhäusern untergebracht sind, als Wirtschaftsflüchtlinge und Asylbetrüger zu beschimpfen. Ihr Ziel ist im Regelfall nicht die viel beschworene „soziale Hängematte“, sondern das nackte Überleben. Ich habe in meiner langen Tätigkeit als Flüchtlingsbetreuer die Schicksale vieler Asylbewerber kennengelernt. Die weitaus meisten wurden nicht als asylberechtigt anerkannt, weil sie nicht „politisch“ verfolgt waren. Entscheidend ist jedoch, dass nach meiner sicheren Erinnerung nahezu alle Asylbewerber einen überaus triftigen Grund für das Verlassen ihrer Heimat hatten. Das sollte all jenen zu denken geben, denen das Wort vom Asylbetrüger so leicht über die Lippen geht. Warum nennt man eigentlich die Asylsuchenden Betrüger? Kein Bauwerber, dessen Bauantrag abgelehnt wird, ist in unserem Sprachgebrauch ein Baubetrüger. Ebenso wenig ist ein Unternehmer, dessen Subventionsantrag abgelehnt wird, ein Subventionsbetrüger. Nur die erfolglosen Asylantragsteller sollen Betrüger sein? Das ist hetzerisch. Also belassen wir es beim „Asylanten“? Doch aufgepasst: Selbst das an sich wertfreie Wort „Asylant“ hat durch die Art und Weise, wie es von Stimmungsmachern in den letzten Jahren benutzt worden ist, eine Abwertung erfahren. Es erinnert im heutigen Sprachgebrauch an Simulant, Querulant, Demonstrant und Intrigant. Der Asylant ist somit auch sprachlich unversehens zu etwas Negativem geworden. Besinnung tut Not – und die beginnt mit der Sprache.

Die Dinge beim Namen nennen, mehr Mut und Ehrlichkeit

Es ist an der Zeit, ein realistisches Bild von der gegenwärtigen Lage zu gewinnen, ohne aber gleich in Hysterie zu verfallen. Wir müssen begreifen, dass wir am Beginn einer Entwicklung stehen, die das Potential zu einem Jahrhundertproblem hat, vergleichbar mit Klimawandel, Umweltzerstörung und Weltbevölkerungsexplosion. Untrügliches Indiz für die Größe eines Problems ist, dass es die Politik nur mit spitzen Fingern anfasst. Es besteht eine große Scheu, die Dinge beim Namen zu nennen. Man spricht von massenhaftem Asylmissbrauch statt vom Beginn einer Völkerwanderung. Die Politik begnügt sich im Wesentlichen mit der Organisation von Flüchtlingsunterkünften. An den Kern des Übels will sie nicht ran, weil andernfalls zentrale Inhalte der bisherigen Politik in Frage gestellt und verändert werden müssten.

Die Verantwortungsträger befassen sich lieber mit Zweit- und Drittrangigem, weil da schneller Erfolge zu erzielen sind. Das Missverhältnis wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, welch unerhörte Kraftanstrengungen für das vergleichsweise kleine Griechenland-Problem gemacht wurden. Das für unsere Zukunft viel wichtigere Flüchtlingsproblem wurde nie seiner Bedeutung entsprechend behandelt. Die Diskussionen blieben an der Oberfläche: Unterbringung, Taschengeld, Grenzschließung, Abschiebung. Wenn man dieses Problem in seiner ganzen Tragweite anpacken will, sind Weitsicht, Mut, Ehrlichkeit und Entschlusskraft vonnöten. Befund: Fehlanzeige!

Neben völkerrechtswidrigen Kriegen sind Armut und ungerechte Verteilung die Hauptfluchtursachen

Völkerwanderungen gibt es seit Beginn der Menschheitsgeschichte. Die gegenwärtige Form der Migration hat jedoch Besonderheiten. Erstens gab es noch nie gleichzeitig so viel Bedrohliches für so viele Menschen. Zweitens hatten die Bedrohten noch nie so viel Kenntnis über die ungerechte Verteilung der Güter auf dieser Erde: bittere Armut auf der einen und überbordenden Reichtum auf der anderen Seite. Und drittens war es noch nie so einfach, von einem Erdteil in einen anderen zu gelangen. Kommt all das zusammen, dann sind Massenwanderungen die logische Folge.

So einfach diese Analyse ist, so schwierig ist die Ursachenbekämpfung. Klar ist nur, dass es strategisch ohne Wert ist, sich an den unerfreulichen Symptomen der Flüchtlingsströme abzuarbeiten, ohne gleichzeitig den Versuch einer Ursachenbeseitigung zu unternehmen. Bei der Suche nach den Fluchtursachen fällt sofort auf, dass die mit Abstand meisten Flüchtlinge aus Ländern kommen, die in den letzten 20 Jahren Schauplätze von Kriegen waren: das ehemalige Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Syrien, Äthiopien, Somalia. Kennzeichnend für fast alle Kriege in den genannten Staaten sind völkerrechtswidrige Militärinterventionen, zumeist der USA und ihrer Bündnispartner. Das legt die Annahme nahe, dass diese Kriege hauptursächlich für die großen Fluchtbewegungen der Gegenwart sind. Diese Kriege bedeuteten Tod, Verarmung, Anarchie, Zerfall von Gesellschaften, religiös motivierte Massaker und Massenflucht. Nie gelang es, stabile Demokratien einzuführen oder gar Menschenrechte zu sichern. Ganz im Gegenteil zu oft wurden und werden totalitäre Regime als Verbündete des Westens hofiert und gestärkt. Wer also Massenflucht eingrenzen will, muss in einem ersten Schritt militärische Abenteuer unterbinden und Militärbündnisse wie die NATO auf reine Verteidigungsaufgaben zurückführen. Das Gesagte gilt auch für schwelende Konfliktherde wie etwa Iran, Ägypten oder Ukraine. Wenn auch von dort Flüchtlingsströme einsetzen würden, wäre das allein schon wegen des Bevölkerungsreichtums dieser Länder eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes.

Leidtragende der Interventionskriege sind neben den gepeinigten und entwurzelten Menschen, den Flüchtlingen, insbesondere die Länder in der Peripherie der Fluchtstaaten. Das sind vor allem die ohnehin problembehafteten Staaten des Nahen Ostens und des südlichen Europas. Neben den Kriegen kommen auch massive Umweltzerstörung und eine verfehlte Wirtschaftspolitik, die Armut und Elend forcieren hinzu. Die USA, gut gesichert durch zwei Ozeane, bleiben von den Fluchtauswirkungen verschont. Ausbaden müssen ihre Kriege andere, auch die Bündnispartner. Diese Bündnispartner sind meist auch die Hauptexporteure von Waffensystemen, deren Regierungen erteilen die Ausfuhrgenehmigungen. Welche Verstrickungen hier zwischen Politik, Rüstungsfirmen und der Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen zu Tage kommen, dokumentiert SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) in ihren umfassenden Berichten. Der österreichische Beitrag muss deshalb primär darin bestehen, jede politische und militärische Unterstützung für Interventionskriege rigoros abzulehnen und eigene Waffenlieferungen in Krisenregionen auch über Umwege einzustellen.

Politischer Islam als einer der Hauptursachen für Extremismus, Fanatismus und Gewalt

Die Proponenten des politischen Islams, welche den Nährboden für Fundamentalismus und Extremismus aufbereiten, gehören in die Schranken gewiesen. Aber auch da hat Österreich einen bedenklichen Weg beschritten. Durch die Implementierung einer von Saudi Arabien finanzierten Einrichtung, welche unter dem Deckmantel von „interreligiösem Dialog“ in Wien agiert, werden mit österreichischen Steuergeldern, Leute aus dem Bereich der Moslembruderschaft, wie Ibrahim El Zayat unter dem Schutz einer internationalen Institution hofiert. Jegliche Unterstützung für Vertreter des politischen Islams, ob gemäßigte Islamisten oder Hardliner werden die Konflikte befeuern. Daher ist es politisch wichtig, aufgeklärten säkularen Muslimen den Rücken zu stärken. Durch die Freiheit der Wissenschaft und Lehre, welche in Europa und in Österreich vorhanden ist, können Themen und Fragen aufgeworfen werden, welche in den meisten islamischen Herkunftsländern unmöglich sind. Dadurch kann von Österreich aus ein Impuls für einen innermuslimischen Dialog in Gang gesetzt werden, welcher dringender denn je notwendig ist, um die Ursachen für die religiös motivierte Gewalt bei der Wurzel anzupacken und den Extremisten den Nährboden zu entziehen. Dieser Krieg ist ein Stellvertreterkrieg zwischen Teheran und Riaad mit all den Verbündeten im Hintergrund. Ein sunnitisch, schiitischer Dialog auf theologischer, politischer und gesellschaftlicher Ebene ist so wichtig, wie ein Tropfen Wasser in der Wüste. Verstöße hiergegen bezahlen wir unweigerlich mit neuen Flüchtlingsströmen.

Der unumgängliche Lösungsansatz der gegenwärtigen Konflikte liegt in der Implementierung einer säkularen Ethik

Ich bin der festen Überzeugung, dass der Schlüssel für die längerfristige Lösung der gegenwärtigen Probleme in einer säkularen Ethik liegen, welche auf globaler Verantwortung basiert. Wir müssen Brücken zwischen Kulturen, Religionen und Ethnien bauen. Statt Religionsunterricht gehört Ethikunterrricht implementiert, damit das Gemeinsame, wie Liebe, Mitgefühl und Respekt in der Erziehung Eingang finden. Eine säkulare Ethik schärft den Verstand und ist nicht die Summe von Ver-, und Geboten sondern die Anleitung zu inneren Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. Wenn wir es schaffen, allgemein verbindlich säkulare ethische Werte zu verfolgen, werden wir Frieden bekommen und in Dialog treten können. Ein realistischer Blick auf die Gegenwart zeigt, dass ein universeller Zugang zu Fragen der Ethik unumgänglich ist. Der gemeinsame Weg führt über mehr Verantwortung auf globaler, europäischer, nationaler und regionaler Ebene. Frieden wird nur dann von Dauer sein, wenn die einzelnen Menschen und Völker frei sind, wenn die Menschen zu Essen haben und die allgemeingültigen Menschenrechte respektiert werden. Egoismus und blinder Nationalismus führen nicht zu einem besseren Leben, die Geschichte ist der beste Beweis dafür.

Echte Solidarität mit notleidenden Staaten, statt wohlklingende Rethorik

Außerdem werden wir uns mit dem Gedanken anfreunden müssen, den notleidenden Staaten echte Solidarität anzubieten. Wohlklingende Rhetorik und Almosen werden auf Dauer nicht ausreichen. Auch Entwicklungshilfe in der Form von Absatzmärkten für unsere Industrieprodukte ist keine wirkliche Hilfe für die Menschen, die am Rande des Existenzminimums vegetieren. Alleine in und rund um Syrien sind über 13 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Zukunftsperspektiven tendieren gegen Null. Durch ausbleibende Hilfsgelder muss UNHCR die ohnehin dürftige Versorgung mit dem Allernotwendigsten weiter einschränken. Von 2013 bis 2014 wurden alleine von Österreich die Mittel um 2,57 Millionen € gekürzt. Von den zugesagten 7,7 Milliarden € der internationalen Staatengemeinschaft sind nicht mal ein Drittel bis dato eingelangt.

Lernen zu Teilen oder zu Kämpfen

Wir müssen uns daran erinnern, dass unser heutiger Wohlstand nicht zuletzt auf Kosten der Herkunftsstaaten der uns überrollenden Flüchtlingswellen begründet worden ist. Wir müssen lernen zu teilen. Das ist zwar nicht einfach, aber notwendig. Wenn wir es aufgrund eigener Einsicht nicht schaffen, dann werden sich die Benachteiligten dieser Erde ihren Anteil irgendwann holen. Denn im Vergleich zu früher wissen heute auch die Ärmsten, durch die Nutzung von Internet und Smartphone, viel über uns und unsere Lebensumstände. Die informierte und vernetzte Weltgemeinschaft wird Ungleichgewichte nicht auf Dauer hinnehmen. Die Alternative ist im Grunde sehr einfach: Entweder wir geben den Armen so viel von unserem Wohlstand ab, dass sie glauben, es lohnt sich, in der Heimat zu bleiben oder, wenn wir dazu nicht fähig sind, dann werden sie sich ihren Anteil bei uns abholen. Diesen Vorgang bezeichnet man verniedlichend als Völkerwanderung.

Untergang des Abendlandes?

Doch selbst das wäre nicht zwingend der Untergang des Abendlandes. Denn auch wir Österreicher sind bekanntlich das Produkt historischer Völkerwanderungen. Unserer Herkunft nach sind wir zumindest ein Mischvolk aus germanischen, keltischen und slawischen Bestandteilen. Seit einigen Generationen auch von baltischen, türkischen und arabischen Einflüssen. Diese Einflüsse haben uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Wir Österreicher haben keinen Grund zur Kleinmut. Wir haben es geschafft, nach dem Zweiten Weltkrieg tausende Vertriebene und Flüchtlinge einzugliedern. Die Voraussetzungen waren damals denkbar schlecht: zerbombte Städte und Fabriken, zerstörte Infrastruktur, ein aufgeteiltes Land zwischen den Besatzungsmächten, tausende Witwen und Waisen, eine demoralisierte und fremdbeherrschte Gesellschaft. Österreich hat tausende Flüchtlinge nach dem Ungarn -Aufstand, nach dem Jugoslawien-Krieg, von all den Flüchtlingen aus der Türkei, Afghanistan, Tschetschenien und afrikanischen Ländern ganz zu schweigen auch aufgenommen. Sie haben zum wirtschaftlichen Aufstieg von Österreich auch beigetragen! Die Österreicher hielten auch in diesen schwierigen Zeiten solidarisch zusammen.

Wir müssen uns deshalb heute in Erinnerung an diese grandiose Gemeinschaftsleistung nicht ängstigen vor ein paar tausend Flüchtlingen, auch dann nicht, wenn deren Zahl noch weiter steigt. Wir müssen uns nur bemühen, aus der Not eine Tugend zu machen. Dazu brauchen wir Solidarität untereinander und Solidarität mit den Flüchtlingen. Sie wollen in ihrer großen Mehrzahl nicht schmarotzen, sondern ihren Beitrag in der Gesellschaft leisten.

„Welcome Refugees, alle rein Haltung“ und „Grenzen dicht, alle raus Haltung“, beides ein Irrweg

Mehr Anlass zur Besorgnis ist die fehlende Bereitschaft mehrerer EU-Staaten, einen angemessenen Anteil der in den Mittelmeerländern ankommenden Flüchtlinge aufzunehmen. Die Schließung von Grenzen löst kein Problem, ebenso die unkontrollierte Öffnung dieser. Die Probleme gehören bei der Wurzel angepackt und Klarheit geschaffen für die Flüchtenden und für die eigene Bevölkerung. Grenzen dicht und eine alle raus Haltung, dieses Verhalten ist ein grober Verstoß gegen den Solidaritätsgedanken der europäischen Verträge. Wer sich so verhält, verdeutlicht nur eines, dass diese Union eine reine Wirtschaftsunion ist, keine Sozialunion und schon gar nicht eine Solidarunion. Jene die für eine unkontrollierte Öffnung der Grenzen plädieren, müssen erkennen, dass dies in der Bevölkerung Verunsicherung und Ängste auslöst. Angst ist nie ein guter Ratgeber und war immer schon ein begründeter oder unbegründeter Mobilisierungsfaktor für rechte Gruppierungen. Österreich müsste hier eine entschlossene Führungsrolle übernehmen Brücken zu bauen und interreligösen, vor allem einen intramuslimischen, Dialog in Gang zu setzen. Gleiches gilt für die unerlässliche Neuausrichtung der Militär-, Entwicklungs- und Einwanderungspolitik, aber vor allem der Bildungspolitik. Das ist kein Selbstläufer. Denn es betrifft höchst anspruchsvolle Politikfelder. Doch genau dort könnte sich die vom Bundespräsidenten unlängst angemahnte größere Verantwortung der österreichischen Politik friedenstiftend entfalten. Vonnöten ist ein vertieftes Nachdenken jenseits der Tages- und Parteipolitik. Das bedarf eines langen Atems. Ich vermag Derartiges noch nicht zu erkennen. Vielleicht müssen noch mehr Flüchtlinge kommen, bevor Weitblick und Solidarität eine echte Chance bekommen. Wenn uns das zu anstrengend ist, dann müssen wir lernen, mit der Völkerwanderung zu leben.

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