EFGANİ DÖNMEZ Projektmanagement – Abgeordneter zum Nationalrat a.D.

Demokratiebefund 2013 – ExpertInnen ziehen höchstbedenkliche Bilanz.

Der Demokratiebefund 2013 der Initiative Mehrheitswahlrecht & Demokratiereform erfüllt mich mit großer Sorge, um unser Land und unsere Zukunft – nicht nur als Politiker, sondern auch als Bürger und Familienvater. Hier einige Auszüge daraus:

Zahlreiche österreichische Umfrageergebnisse der letzten Monate zeigen, dass sich das Vertrauen in die österreichische Politik auch und gerade 2013 auf demokratiepolitisch beunruhigend niedrigem Niveau bewegt. Neben dem Stillstand ist der Mangel an Anstand, also die Korruption, einer der Hauptkritikpunkte an Österreichs Demokratie.

91 % der Befragten gaben an, dass Politiker mehr oder minder die Verbindung zum Volk verloren haben, 90 %, dass sie mehr oder minder viel versprechen und wenig halten und 92%, dass sie mehr oder minder auf den eigenen Vorteil bedacht sind. Die Werte 2013 haben sich damit gegenüber 2011 weiter verschlechtert. Als die wichtigsten Maßnahmen werden 2013 die Entpolitisierung des ORF (1,48), die Stärkung der unabhängigen Justiz (1,69), der Ausbau der politischen Bildung (1,74) und die stärkere Personalisierung des Wahlrechts (1,99) angesehen. Die Nationalratswahlen vom 29. September brachten mehrere demokratiepolitisch sehr nachdenklich stimmende Ergebnisse (vgl. auch Neuwal.com): Trotz des wesentlich verbreiterten Angebots von aussichtsreich kandidierenden Parteien und intensiver Bewerbung der Briefwahlmöglichkeit gab es erstmals seit 1945 mehr Nichtwähler, als die stimmenstärkste Partei auf sich vereinigen konnte: 1.601.668 Nicht- stehen 1,252.430 SPÖ-WählerInnen gegenüber. Mit den 89.656 Ungültig-WählerInnen ergibt das fast 1,7 Millionen Wahlberechtigte, die sich für keine der wahlwerbenden Partei entscheiden konnten. Die Wahlbeteiligung ist gegenüber der letzten Nationalratswahl 2008 um weitere 3,9 % auf 74,9 % gesunken. 2002 betrug sie noch 84,27 %, 1995 85,98 %, von 1945 bis 1986 immer über 90 %.

Waren vor 5 Jahren noch 75 % der BürgerInnen der Meinung, in der EU zu sein bringe mehr Vor- und Nachteile, meinen das 2013 nur noch 45 %. 51 % meinen, der Euro bringe mehr Nachteile, nur 41 % empfinden mehr Vorteile. Und gar Zweidrittel sind gegen weitere Finanzhilfe an Griechenland, Portugal und Spanien.
Wenn man den Berichtszeitraum des dritten Demokratiebefundes betrachtet, so erfüllt die IMWD die Tendenz, das demokratische System insgesamt verächtlich zu machen bzw. fundamental zu kritisieren, etwa in der Diagnose „Postdemokratie“, „Fassadendemokratie“ und in Essays, mit Sorge (vgl. auch GrenzlandDemokratie). Diese teilweise von ernsthaften DenkerInnen und WissenschaftlerInnen geäußerte Kritik in Verbindung mit der Verächtlichmachung von demokratischen Institutionen durch Populisten und Demagogen kann eine für die österreichische Demokratie gefährliche Gemengelage hervorrufen. Davor warnt die IMWD und vertritt einen entschiedenen Standpunkt: Es geht der IMWD um eine Vitalisierung der österreichischen Demokratie durch sinnvolle Reformen, insbesondere eine Stärkung des Persönlichkeitswahlrechtes, des lebendigen Parlamentarismus und des Ausbaus der direkten Demokratie. Man kann die Geschichte der Demokratie auch als Geschichte der permanenten Skandale und Fehlentscheidungen erzählen. Gewiss gibt es auch immer wieder Situationen, wo dies gehäuft auftritt. Der entscheidende Vorzug der Demokratie aber ist die Öffentlichkeit und Transparenz und die Selbstreinigungs- und Selbstkorrekturkraft der Demokratie.

Die Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform fordert daher vom neugewählten Nationalrat und von der neu zu bildenden Bundesregierung rasch folgende Initiativen zu ergreifen:

• Sofortige Einsetzung einer parlamentarischen Enquetekommission zum Thema „Demokratiereform“, die bis Ende 2014 ihre Arbeiten abschließt und entscheidungsreife Grundlagen zu folgenden drei Bereichen liefert:

1. Wahlrecht – Wirksame Personalisierung, aber auch ernsthafte Befassung mit mehrheitsfördernden Elementen. Das Nationalratswahlergebnis 2013 hat erneut vor Augen geführt, dass das geltende Wahlrecht in beiden Bereichen äußerst unbefriedigend ist

2. Direkte Demokratie

3. Stärkung des Parlamentarismus – von der seit Jahren versprochenen Reform der Untersuchungsausschüsse (Minderheitenrecht) über die verstärkte Mitwirkung bei Europafragen bis zum Legislativdienst

• Verwirklichung eines 12-Punkte-Plans zur Realisierung der verfassungsrechtlich verbrieften Unabhängigkeit des ORF

• Beschlussfassung eines Informationspflichtgesetzes

• Konzertierte Dialog- und Informationsoffensive zu Europafragen mit stärkerer Rolle des Parlaments gerade im Blick auf die EU-Wahlen im Mai 2014 und die Wahlbeteiligung

• Funktionelle und nachhaltige Erneuerung des Parlamentsgebäudes, um als zentrales und repräsentatives Forum der österreichischen Demokratie auch im 21. Jahrhundert dienen zu können

• Fördernde Rahmenbedingungen zur Stärkung von Unabhängigkeit, Vielfalt und Qualität der Medien in Österreich, da diese systemrelevant für die Demokratie sind – Printmedien, private Radio-und TV-Anbieter, Internet

• Intensivierung der politischen Bildung, deren Bedeutung durch die neuen digitalen Möglichkeiten und die zu erwartende stärkere Nutzung der Elemente der direkten und partizipativen Demokratie noch höheren Stellenwert erlangt

• Umsetzung der jahrzehntelang versprochenen und verschleppten Staats-, Verwaltungs- und Föderalismusreform – Reformföderalismus – Ländermitwirkung an der Bundesgesetzgebung (Bundesratsreform – Landtage, Landesregierungen)

• Integration der brieflichen und digitalen Möglichkeiten in das demokratische System, z.B.: Onlinesammelsysteme und Briefabstimmungsmöglichkeiten für Bürgeranfragen, Petitionen, Volksbegehren, Volksbefragungen, Volksabstimmungen und bei der europäischen Bürgerinitiative, verantwortungsbewusster Umgang mit Web 2.0-Demokratie, wie u.a. liquid democracy und open government

Quelle: Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform

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