Schelte wegen der Wortwahl des Bundesrates Dönmez, aber auch Zuspruch in der Sache: Die Partei müsse sich stärker der Probleme in diesem Bereich annehmen, lautet der Tenor
Wien – Der Grünen-Ex-Chef fühlt sich an alte Zeiten erinnert: “Diese Debatte haben wir oft geführt, sie begleitet uns seit Jahren” , sagt Alexander Van der Bellen über die Diskussion in seiner Partei über Migrations- und Asylfragen. Einen Richtungsstreit will er nicht erkennen: “Man muss nicht gleich eine Liniendebatte hineininterpretieren.” Ihm wäre eine interne Debatte lieber gewesen: “Ich sehe das, wenn Sie gestatten, sehr gelassen.” Man müsse aber Probleme benennen können, ohne dass gleich die “grüne Würde” verletzt wird.
Seitdem der oberösterreichische Bundesrat Efgani Dönmez in einem Standard-Interview unter anderem eine “raschere” Abschiebung krimineller Asylwerber gefordert hat, gehen die Wogen hoch. Immer mehr Grüne fordern eine Neupositionierung in der Ausländerfrage. Der Tenor: Der Ton sei falsch gewesen, in der Sache spreche Dönmez aber auch Richtiges an.
Einen “Ausritt” nennt etwa der Parlamentsklub-Vize und Chef der steirischen Grünen, Werner Kogler, die Aussagen des Bundesrates. Er verwahre sich dagegen, Kriminalität und Asylwerber in einem Atemzug zu nennen, sagt aber auch: “Wir werden genauer zuhören müssen, was die Ängste der Menschen – wenn sie auch irrational sind – anbelangt. Die Grünen dürfen nicht zu einer reinen Avantgardistenpartei werden.” .
“Was Dönmez konkret sagt, kann ich nicht teilen” , meint auch Vorarlbergs Grünen-Chef Johannes Rauch: “Aber er hat damit eine notwendige Debatte ausgelöst.” Weil die FPÖ wie wild auf Ausländer eingeprügelt habe, hätten die Grünen notwendigerweise dagegenhalten – was eine differenzierte Argumentation unmöglich gemacht habe. “Die Grünen müssen aber auch die Probleme ansprechen” , fordert Rauch: “Genauso wie der Staat Zuwanderern nicht Rechte vorenthalten darf, müssen diese die Verfassung respektieren. Ich sehe etwa Defizite, was die Gleichbehandlung von Frauen betrifft.”
Georg Willi, Chef der Tiroler Grünen, schließt sich dieser Analyse an: “Wir haben uns zu Recht gegen die FPÖ gestemmt. Aber dadurch wurden wir in der Wahrnehmung vieler zur Partei, die nur für die Zuwanderer da ist. Wir müssen die realen Probleme bei der Integration benennen und lauter als bisher Lösungen fordern.”
Während die einen, wie Justizsprecher Albert Steinhauser, wenig Freude an der öffentlich geführten Debatte haben (“Wir brauchen inhaltlich keine Änderung” ), reiben sich andere freudig die Hände. “Mir ist produktives Chaos lieber als Grabesstille” , sagt der Wiener Gemeinderat Christoph Chorherr. Sein Befund: “Wir wurden als die Partei wahrgenommen, die im Zweifelsfall immer für die Ausländer ist.” Die Grünen seien in den letzten Jahren “allzu konsensorientiert, allzu ‘normale’ Partei” gewesen, findet er. “Gerade als Menschenrechtspartei sollten wird uns den Luxus leisten, über diese Felder kontrovers zu diskutieren.”
Dafür hat auch ein Gastkommentar von Sicherheitssprecher Peter Pilz im Standard gesorgt. Er hatte davor gewarnt, Ängste zu ignorieren: “Wir reden dann über die Ausländer und über homosexuelle Lebensgemeinschaften – und reden an den Menschen vorbei.” Das kam bei den “Grünen Andersrum” nicht gut an. Man bekomme den Eindruck, “Pilz hätte noch keine Lesben und Schwule kennengelernt” , klagt die Wiener Landesgruppe. Immerhin ist an Versöhnung gedacht: Pilz wurde auf eine Szenetour eingeladen. (jo, mue, pm/DER STANDARD Printausgabe, 19. Dezember 2008)